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13. Kenner und Liebhaber

Sybille

Nicht nur die Musiker professionalisierten sich im Zuge der Ausweitung der bürgerlichen Musikkultur, auch die Rezeptionshaltung des Publikums differenzierte sich  - das Streben nach Bildung und Erbauung einerseits („Kenner“)  sowie nach Unterhaltung und Entspannung andererseits („Liebhaber“). Die Verbindung von Volkstümlichem und Kunsthaftem entspricht zugleich dem aufklärerischen Ideal einer universell verständlichen Musik.


Das Begriffspaar wurde ab der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts verwendet, sowohl für Notenausgaben (besonders bei Carl Philipp Emmanuel Bach für sechs Sammlungen von Klavierstücken 1779–87) als auch zur Bezeichnung von Veranstaltungen.


Es ging also darum, die Kompositionen für wachsende Hörerschichten mit unterschiedlichen ästhetischen Bedürfnissen und verschiedener musikalischer Bildung zu kategorisieren, einerseits für die Hörer, andererseits auch für die Käufer des Notenmaterials. Dies steht in Verbindung mit dem Aufstieg der Musikverlage, die den wachsenden Bedarf an Musikalien für privates Musizieren zu bedienen und zu steigern suchten. 


Es ist von Leopold Mozart bekannt, dass er seinen Sohn Wolfgang Amadeus ermahnte:

„Ich empfehle dir bey deiner Arbeit nicht einzig und allein für das musikalische, sondern auch für das ohnmusikalische Publikum zu denken – du weist es sind 100 ohnwissende gegen 10 wahre Kenner, vergiß also das sogenannte populare nicht, das auch die langen Ohren kitzelt.“ 

Der Sohn antwortete, der Vater möge sich nicht sorgen, seine Musik sei

„für alle Gattung leute, ausgenommen für lange Ohren nicht“.

Auch Johann Nepomuk Hummel beschäftigte sich mit dieser Unterscheidung: 

„Obschon mir nun an der Zufriedenheit der Kenner bei weitem am meisten gelegen sein musste: so war mir doch auch an der, der Nichtkenner, gelegen; denn es giebt ja in der ganzen Welt kein eigentliches Publikum blos von Kennern“ (Anweisung zum Piano Forte-Spiel). 

Neben Originalkompositionen wurden mit der Zeit vermehrt Arrangements und Bearbeitungen bekannter Melodien angeboten, die als Serien(z. B. einer bestimmten Besetzung, einer bestimmten Musikgattung – etwa Opernpotpourris) veröffentlicht werden und so zum regelmäßigen Erwerb anregen sollten. Es wuchs also der Anteil unterhaltender, leicht konsumierbarer Musik, die der Liebhaber bevorzugte. 


Ist die ästhetisch anspruchsvolle und zur Erbauung geeignete Musik also nur durch Bildung zugänglich und daher ein Elite-Phänomen? Muss man also ein Kenner sein, um den entsprechenden Genuss zu erleben? Ich finde, diese Diskussion ist nicht entschieden.


Zwischen 1779 und 1787 erschienen C. P.E. Bachs sechs Sammlungen von Sonaten, Rondos und Fantasien »für Kenner und Liebhaber«. Es war die großformatigste Veröffentlichung des Meisters. Mit einem Sonatenzyklus hatte es begonnen, doch als sich sehr schnell ein ökonomischer Erfolg einstellte, erweiterte Bach um Rondos und freie Fantasien. In dieser Version ist einTangentenflügel zu hören. Dessen Klang erinnert zwar an das Cembalo, doch kann er auf vielfältige Weise modifiziert werden. Weltweit existieren nur noch etwa 20 Exemplare dieser Zwischenform von Clavichord, Cembalo und Hammerklavier.



 
 
 

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