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22. Variierte Subtilitas

Sybille


Um so spektakulärer schlug am Beginn des 20. Jahrhunderts der Anschein von Rückschrittlichkeit in das Gegenteil um: Alle kompositorischen Neuerungen Arnold Schönbergs, Anton Weberns und Alban Bergs fanden auf kammermusikalischem Boden statt (Kammersymphonie). Die kompositorische Raffiniertheit, die subtilitas als traditionelle Eigenschaft der Kammermusik, prägte einerseits die Technik der motivischen Verknüpfungen, von Schönberg zugespitzt als „entwickelnde Variation“ bezeichnet. Andererseits stellt die v. a. von Webern minutiös durchgeführte Differenzierung des Klanges, nach der eigenen Einschätzung dieser Komponisten, bei aller Gewagtheit harmonischer Loslösungen stets eine deutliche Bindung an die Tradition dar. 


Die in der 1. Hälfte des 20. Jh.s beginnende Tendenz zur „Kammermusikalisierung“ der Musiksprache führte in der Nachkriegszeit dazu, dass traditionelle kammermusikalische Gattungssysteme und Besetzungskonfigurationen zugunsten der unterschiedlichsten, durch besondere Klangvorstellungen motivierten Zusammensetzungen aufgelöst wurden. Einzig das Streichquartett scheint seine Sonderstellung zu behalten: Auch heute verzichten nur wenige Komponisten darauf, ein Stück für dieses Ensemble zu komponieren.


Paul Hindemith (1895-1963) gehört zu den bedeutendsten deutschen Komponisten seiner Zeit. Seine frühen Werke sind in spätromantischer Sprache gehalten, und später schuf er expressionistische Werke, eher im Stil des frühen Schönberg , bevor er in den 1920er Jahren einen schlankeren, kontrapunktisch komplexen Stil entwickelte. Dieser Stil wurde als neoklassisch beschrieben, unterscheidet sich jedoch stark von den mit diesem Begriff bezeichneten Werken Igor Strawinskys.


Die meisten Kompositionen Hindemiths basieren auf einem Grundton und verwenden musikalische FormenKontrapunkte und Kadenzen, die typisch für die barocke und klassische Tradition sind. Seine harmonische Sprache ist moderner und verwendet alle 12 Noten der chromatischen Tonleiter frei innerhalb seines Tonrahmens, wie in seiner dreibändigen Abhandlung 'Die Kunst des Tonsetzens'

ausführlich beschrieben. 

Hindemith schrieb auch Gebrauchsmusik – Kompositionen mit sozialem oder politischem Zweck, die manchmal für Laien geschrieben wurden. Das Konzept war von Bertolt Brecht inspiriert. Ein Beispiel dafür ist Hindemiths Trauermusik, die er im Januar 1936 schrieb. Er bereitete gerade die Londoner Premiere seines Bratschenkonzerts Der Schwanendreher vor, als ihn die Nachricht vom Tod Georgs V. erreichte. Er schrieb rasch Trauermusik für Bratsche solo und Streichorchester als Hommage an den verstorbenen König und die Premiere fand noch am selben Abend statt, einen Tag nach des Königs Tod. 





Wir hören hier aus dem Klavierzyklus "In einer Nacht - Träume und Erlebnisse" die Nr. 2 - Sehr langsam. Interessant an diesem Zyklus: Es ist eine Mischung aus Programmmusik und absoluter Musik. So lauten die Titel der ersten Stücke: Müdigkeiten. – Sehr langsam - Phantastisches Duett zweier Bäume vor dem Fenster. – Rufe in der horchenden Nacht. - Ziemlich schnelle Achtel. Es sollte uns nichts daran hindern, in der Nr. 2 ein langsames Einschlafen zu hören.



 
 
 

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